Engstand

In der Regel sind die permanenten Frontzähne deutlich breiter als ihre Vorgänger im Milchgebiss. Besonders günstig sind somit Lücken im Milchgebiss, die den bleibenden Zähnen als Platzreservoir dienen können [27]. In vielen Fällen führt der vorliegende Größenunterschied zu Engständen, eben besonders im Frontzahnbereich. Bei geringem Platzmangel kann im Verlauf der weiteren Kieferentwicklung ein Selbstausgleich abgewartet werden. Bei ausgeprägtem Platzmangel muss eine kieferorthopädische Behandlung in Erwägung gezogen werden. Ein so genannter primärer Engstand – also ein Größenmissverhältnis zwischen der knöchernen Kiefergröße und des Zahnmaterials – ist eine klare Indikation für eine Zahnspange. Bei versäumter Therapie sind bestenfalls gedreht oder gekippt stehende bleibende Zähne oder außerhalb des Zahnbogens stehende Zähne zu erwarten. Im ungünstigsten Fall ist nicht für alle bleibenden Zähne Platz im Zahnbogen und es kann dann zu Durchbruchsbehinderungen oder gar zur Retention bleibender Zähne kommen, d.h. die Zähne bleiben im Knochen „stecken“. Sie werden nicht mehr alleine durchbrechen. Besonders häufig betroffen sind die Eckzähne im Oberkiefer.

Die Therapie der Engstände hat nachvollziehbare Gründe. Stehen Zähne stark verschachtelt, kommt die Zahnbürste nicht an alle Stellen. Die Zahnzwischenräume können dann nicht optimal gereinigt werden. Dieser Zahnbelag begünstigt langfristig die Entstehung von Karies, Zahnfleischentzündungen und später Parodontitis.

Um die Zähne nun alle an die richtige Position stellen zu können benötigt der Kieferorthopäde Platz. Es gibt mehrere Möglichkeiten der Platzbeschaffung, die nach einer genauen Analyse der Platzverhältnisse abgewogen werden. Ein geringem Ausmaß reichen kleinere Maßnahmen aus. Diese beinhalten eine Verbreitung sowie eine Verlängerung des Zahnbogens. Seit einigen Jahren besteht zudem die Option bleibende Zähne geringfügig zu verschmälern. Hierfür wird mittels einer Art „Schmirgelpapier“ eine dünne Schicht des Zahnschmelzes abgetragen. Im Anschluss werden die Zähne ausreichend fluoridiert und müssen dadurch keinen Schaden nehmen.

Möglichkeiten der Platzbeschaffung bei geringem Platzmangel:
• Geringe Vergrößerung der Kieferbreite
• Kippen der Frontzähne nach vorne
• Zurück bewegen (Distalisation) der Backenzähne
• Geringfügiges Abtragen des Zahnschmelzes und damit eine Verkleinerung des Zahnmaterials (Slicing – Approximale Schmelz Reduktion)

Möglichkeiten der Platzbeschaffung bei erheblichem Platzmangel:
• Extraktion bleibender Zähne
• Starke Verbreiterung des Oberkiefers durch Sprengung der Gaumennaht

Nichtanlagen

Der Begriff „Nichtanlage“ beschreibt das Fehlen eines permanenten Zahnes. Unter dem betroffenen Milchzahn ist also kein bleibender Zahn angelegt, d.h. bei Verlust des Milchzahns entsteht in dieser Stelle eine Zahnlücke. Nichtanlagen liegen bei 5-10% der Bevölkerung vor. Am häufigsten ist der zweite kleine Backenzahn im Unterkiefer betroffen, gefolgt vom oberen seitlichen Schneidezahn und dem zweiten kleinen Backenzahn im Oberkiefer.

Eine Zahnlücke ist für das restliche Gebiss statisch ungünstig. Die Nachbarzahne haben nun keine seitliche Abstützung mehr und können in die Lücke hinein kippen. Die Zähne im Gegenkiefer werden beim Kauen ebenfalls nicht mehr abgestützt und können sich in die Lücke hinein verlängern.

Bei dem Vorliegen einer Nichtanlage stellt sich für den Kieferorthopäden stets die gleiche Frage: Lückenöffnung oder Lückenschluss? Beide Lösungsansätze haben Vor- und Nachteile und es gilt diese individuell abzuwägen. Wegweisende Faktoren für den Kieferorthopäden sind z.B. die Platzbilanzen in beiden Kiefern, das Verhältnis der Zahngrößen im Ober- und Unterkiefer zueinander, die Verzahnung, die Knochenstruktur im Bereich der Nichtanlage, uvm. In vielen Fällen bietet sich eine der beiden Möglichkeiten förmlich an oder ist gar unausweichlich. In manchen Fällen können beide Wege zielführend sein. Dann sollten die Argumente für und gegen eine Lückenöffnung bzw. einen Lückenschluss gemeinsam besprochen werden. Auch kann es sein, dass zur optimalen Einstellung der Verzahnung weitere bleibende Zähne geopfert werden müssen, um ein symmetrisches Zahnmaterial herzustellen und so eine seitengleiche Verzahnung zu ermöglichen.

        Vorteile         Nachteile
Lückenöffnung
  • Evtl. weniger aufwändige kieferorthopädische Therapie
  • Keine ästhetische Umformung der bewegten Zähne notwendig
  • Spätere prothetische Versorgung der Lücke erforderlich – eine Implantation ist erst
    nach Wachstumsabschluss, d.h. mit ca. 18 Jahren möglich
  • Bei Belassen des Milchzahnes evtl. nicht ganz
    optimale Verzahnung im Seitenzahnbereich
Lückenschluss
  • Keine Notwendigkeit für späteren Zahnersatz
  • Optimale Verzahnung kieferorthopädisch einstellbar
  • Evtl. umfangreichere kieferorthopädische
    Therapie (mit skelettaler Verankerung) nötig
  • Ggf. spätere ästhetische Formkorrektur
    einzelner Zähne empfehlenswert

Es gibt noch eine weitere Möglichkeit nicht angelegte Zähne zu „ersetzen“. In ausgewählten Fällen kann eine Verpflanzung (Transplantation) eines anderen eigenen Zahnes in Erwägung gezogen werden. Dieses Verfahren funktioniert am besten, wenn das Wurzelwachstum des betroffenen Zahnes noch nicht ganz abgeschlossen ist. Im optimalen Fall nimmt der Nerv dieses Zahnes dann keinen Schaden. Dieses aufwändige Verfahren erfolgt in Absprache und enger Zusammenarbeit mit einem Kieferchirurgen.

Retention und Verlagerung

Steckt ein bleibender Zahn an der richtigen Stelle im Kiefer fest, spricht man von Retention. Verharrt der Zahn in einer verkehrten Stelle im Kieferknochen oder liegt deutlich abweichend von seiner normalen Durchbruchsrichtung, so wird dies als Verlagerung bezeichnet. Am häufigsten ist der obere Eckzahn (56%) betroffen, gefolgt von den kleinen Backenzähnen im Unterkiefer (9%) und dem oberen seitlichen Schneidezahn (5%).
Eine Retention oder Verlagerung kann verschiedene Ursachen haben. Häufige Gründe sind zu lange im Mund verbleibende Milchzähne, Platzmangel, Traumen, überzählige Zähne, gutartige Tumore, entzündliche Prozesse, Zysten, uvm.

Wenn ein Zahn nicht selbständig durchbrechen wird, besteht aus kieferorthopädischer Sicht Handlungsbedarf (siehe KIG-Tabelle). Im Allgemeinen wird eine Einordnung retinierter oder verlagerter Zähne mittels kieferorthopädischer Apparaturen nach chirurgischer Freilegung angestrebt. Die Voraussetzungen für eine so genannte Mobilisation sind ausreichende Platzverhältnisse, die Möglichkeit den Zahn operativ freilegen zu können und eine beständige Mitarbeit des Patienten. Solch eine Mobilisation benötigt viel Zeit, denn der Zahn muss durch den Knochen hindurch bewegt werden. Anfangs wird der Kieferchirurg den betroffene Zahn operativ darstellen und ein kleines Knöpfchen auf der Zahnoberfläche befestigen. Im nächsten Schritt wird eine Zahnspange eingegliedert, mit der täglich an dem Zahn gezogen wird. Häufig werden dafür Plattenapparaturen verwendet, die mit speziellen Häkchen versehen sind, in die der Patient eigenständig Gummizüge von dem Knöpfchen am Zahn einhängen muss. Es besteht auch die Möglichkeit einen verlagerten Zahn mittels einer festen Zahnspange zu mobilisieren. Da hierbei unerwünschte Nebenwirkungen für die anderen Zähne des Zahnbogens entstehen können, wird häufig eine zusätzliche Verankerungsquelle in Erwägung gezogen, z.B. ein Transpalatinalbügel.

Frontzahntrauma

Bei einem Sturz auf das Gesicht sind häufig auch die Zähne davon betroffen. In jedem Fall ist eine Kontrolle bei dem behandelnden Hauszahnarzt empfehlenswert. Manchmal sind dann ein oder gar mehrere Frontzähne geschädigt. Im ungünstigsten Fall hat sich der Patient bei dem Sturz einen oder gar mehrere (meist) Schneidezähne ausgeschlagen – Avulsion. Die akute Therapie übernimmt im Falle eines solchen Sturzes in der Regel der Hauszahnarzt. Dieser schätzt nach erfolgreicher Erstbehandlung auch die langfristige Prognose für die betroffenen Zähne ein. In einem Gesamtbehandlungskonzept kann auch eine Vorstellung beim Kieferorthopäden weiter helfen. Dieser wird nach Erstellung aller nötigen diagnostischen Unterlagen individuell über einen möglichen Lückenschluss mittels Zahnspangen nachdenken (siehe auch „Nichtanlagen“).

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