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Stellt ein Arzt eine falsche Diagnose, so ist hierbei nicht immer von einem fundamentalen Diagnoseirrtum, sondern nur von einem bloßen Versehen des Arztes auszugehen, was als – einfacher – Behandlungsfehler zu bewerten ist mit der Folge, dass dem Patienten keine Beweiserleichterung für die Kausalität zwischen Behandlungsfehler und Folgen zu gute kommt.
Ein Patient hat bei einem Diagnosefehler des Arztes nicht zwangsläufig einen Anspruch auf Schadenersatz. Das geht aus einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz hervor, das damit BGB § 253 Abs. 2, BGB § 823 Abs. 1 entsprechend interpretiert.
Voraussetzung ist nach dem Richterspruch vielmehr, dass dem Arzt zugleich ein grober Behandlungsfehler vorgeworfen werden kann. Dies sei nicht der Fall, wenn es sich um eine sehr seltene Erkrankung gehandelt habe und der Fehler daher dem Arzt nicht vorwerfbar sei.
Das Gericht wies mit seinem Urteil die Klage eines Patienten gegen einen Arzt ab. Der Arzt hatte bei einer Computertomographie einen Tumor in der Nase des Klägers nicht erkannt. Das entsprechende Bildmaterial wurde nicht richtig ausgewertet. Der Kläger vertrat die Ansicht, der Arzt müsse für die darauf beruhende Fehldiagnose einstehen.
Das OLG sah dies anders und mahnte Zurückhaltung an, in einem Diagnosefehler stets auch einen Behandlungsfehler zu sehen. Denn oft seien die Symptome einer Erkrankung nicht eindeutig und könnten auf verschiedene Ursachen hinweisen. Dies gelte auch für «Bildmaterial», das ein Arzt mit Hilfe technischer Geräte erstelle. Ein grober Behandlungsfehler liege daher in der Regel nur bei einem fundamentalen Diagnosefehler vor. Nach Angaben eines Sachverständigen sei die Erkrankung des Klägers aber sehr selten, so dass im vorliegenden Fall dem Arzt kein solcher Vorwurf gemacht werden könne.
Die Entscheidung des OLG Koblenz reiht sich in eine Vielzahl von Urteilen ein, wonach ärztliche Diagnosefehler nur mit Zurückhaltung als ärztliche Behandlungsfehler zu werten sind. Nach der Rechtsprechung insbesondere des Bundesgerichtshofs ist allerdings vom Diagnosefehler der sog. Befunderhebungsmangel zu unterscheiden. Bei letzterem ist ein Verstoß des Arztes gegen die Pflicht zur Erhebung oder Sicherung medizinisch zweifelsfrei gebotener Befunde eine Beweislastumkehr gerechtfertigt, wenn die unterlassene Abklärung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen so deutlichen und gravierenden Befund ergeben hätte, dass sich diese Verkennung als fundamental oder die Nichtreaktion auf ihn als grobfehlerhaft darstellen müsste
OLG Koblenz, Urteil vom 30.11.2006, Az. 5 U 209/06
Weitere Information:
„Beweislast im Arzthaftungsprozess bei Diagnosefehler“, Hessisches Ärzteblatt 4/2006
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Dieser Beitrag wurde von den im Impressum unter “Redaktion” genannten Zahnärzten und zahnmedizinischen Fachkräften erstellt und vom Schlussredaktionsteam didaktisch überarbeitet.
Datum der Erstellung: 22.05.2007, letzten Änderung: 22.05.2007, letzte Überprüfung: 22.05.2007.