Dokumentationspflicht

Zahnärzte sind verpflichtet, die am Patienten durchgeführte Behandlung in der Krankenakte umfassend zu dokumentieren. Grundlage hierfür bildet § 30 Abs. 3 Heilberufe-Kammergesetz in Verbindung mit der Berufsordnung (MBO). Für den Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung wird diese Verpflichtung durch weitere Vorschriften ergänzt (§ 5 Abs. 1 Bundesmantelvertrag Zahnärzte [BMV-Z], § 4 Abs. 2 Satz 1 Ersatzkassenvertrag Zahnärzte [EKVZ], § 295 SGB V). Das Führen einer umfassenden Dokumentation ergibt sich außerdem aus der gängigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte. Somit gehört die Dokumentation zur ordnungsgemäßen Erfüllung eines Behandlungsvertrages. Die Dokumentation dient zwar auch zum Nachweis einer korrekten Abrechnung der erbrachten Leistungen, sie erfüllt aber weitere wesentliche Aufgaben (nach Heidemann 2006):

       Aufgaben der Dokumentation
  • Sicherung einer Weiterbehandlung des Patienten durch denselben Zahnarzt oder einen Vertreter.
  • Nachweis der durchgeführten Beratung und Aufklärung.
  • Gewährleistung einer reibungslosen Arbeit im Rahmen des Begutachtungswesens.
  • Beweismittel bei Rechtstreitigkeiten.

Die Dokumentationspflicht erstreckt sich auf die Untersuchungen, den Befund, die Behandlungsmaßnahmen, den Operationsbericht, das Narkoseprotokoll, Zwischenfälle, Heilungsverlauf und auch die Art und Dosierung der Medikamente etc. Ebenso gehören Fotos und Modelle zur Patientendokumentation, sofern sie für die Darstellung des Behandlungsverlaufes von Bedeutung sind (z. B. Modelle im Zusammenhang mit einer parodontologischen oder kieferorthopädischen Maßnahme, Profil- oder Enface-Fotografien). Das alleinige Aufzählen von Gebührenpositionen (BEMAGOZ) reicht nicht aus. Hingegen sind schlagwortartige Beschreibungen ausreichend. Fachbegriffe sowie Kürzel müssen nicht erklärt werden, sofern sichergestellt ist, das eine fremde fachkundige Person anhand der Aufzeichnungen in der Lage ist, sich über den Patienten, die Diagnose, die durchgeführten Behandlungsmaßnahmen und deren Erfolg oder Nichterfolg ein Bild zu machen. Das heißt aber auch: Die Dokumentation muss nicht für den Laien, sprich „Patienten“, verständlich sein. Ein Anspruch auf eine maschinengeschriebenen Abschrift der Krankenunterlagen unter Aufschlüsselung der Kürzel für Fachausdrücke besteht nicht. Sehr wohl muß die Dokumentation aber lesbar und nachvollziehbar sein (LG Köln,17 S 76/97, AG Essen, 12 C 13/97).

„Zum Einsichtsrecht des Patienten in seine Krankenunterlage gehört, dass die Unterlagen verständlich, insbesondere lesbar und nachvollziehbar sind.“
AG Essen, Urteil Az. 12 C 13/97

Fehlt eine aufzeichnungspflichtige Maßnahme in der Dokumentation, so wird zunächst davon ausgegangen, dass diese Maßnahme nicht durchgeführt wurde.

„Unterläßt es ein Zahnarzt entgegen medizinischer Notwendigkeit und Üblichkeit, den ordnungsgemäßen Sitz eingefügter Implantate in bezug auf Achsneigung und genügende Tiefe röntgenologisch zu kontrollieren und das Ergebnis zu dokumentieren, trifft ihn die Beweislast, daß später auftretende Komplikationen nicht auf fehlerhafter Insertion beruhen, wenn fehlerhafte Ausführung und deren Schadensursächlichkeit jedenfalls nicht unwahrscheinlich sind. Die mangelnde Aufklärbarkeit geht zu Lasten des Zahnarztes.“
OLG Köln, Urteil 5 U 48/94

„Sind von einem Zahnarzt abgerechnete Leistungen aus den Krankenblättern nicht ersichtlich, so ist zunächst davon auszugehen, dass er diese Leistungen tatsächlich nicht erbracht hat. Es obliegt dann dem Zahnarzt, die Erbringung der von ihm abgerechneten Leistungen nachzuweisen.“
SG Marburg, Urteil F 12 KA 768/09

Trotz eines fehlenden Eintrages kann der Zahnarzt das sachgerechte Vorgehen durch Zeugen, beispielsweise einen Assistenten, der den krankhaften Befund gesehen hat, oder durch ein Röntgenbild, das den krankhaften Prozess zeigt, nachträglich belegen (Ries et al. 2008).

Wird eine Dokumentation gar nicht oder nur mangelhaft erstellt, so dass sich ein Sachverhalt nicht mehr rekonstruieren lässt, führt dies im Arzthaftungsprozess zur Beweiserleichterung zugunsten des Patienten, d.h. nicht der Patient, sondern der Zahnarzt muß belegen, daß die Behandlung ordnungsgemäß („lege artis“) durchgeführt wurde.

„Unterlässt es der Zahnarzt, medizinisch zweifelsfrei gebotene Befunde zu erheben und zu sichern, kann dieses Versäumnis zu einer Beweislastumkehr zu Lasten des Zahnarztes führen.“
OLG Saarland, Urteil 1 U 290/97

Die Dokumentation muss zeitnah, d. h. in unmittelbarem Zusammenhang mit der Behandlung oder direkt nach einem Behandlungsschritt erfolgen.

Etwas vereinfacht ausgedrückt muss die Dokumentation die Frage nach den „sechs W“ beantworten: Aus der Dokumentation muss hervorgehen, an welchem Patienten wer, wann, warum und womit welche Leistung erbracht hat.

Für den Patienten besonders wichtig ist, dass entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) nur die wesentlichen medizinischen Fakten, nicht aber jede Kleinigkeit zu dokumentieren ist. Diese Differenzierung führt in Streitfällen vor Gericht oftmals dazu, dass Einwände des Patientenanwaltes, die durch die Praxis geführte Dokumentation sei nicht ausreichend, von der Gegenseite bestritten wird.

Es versteht sich von selbst, dass im Zeitalter von Computern die Behandlungsdokumentation auch elektronisch erfasst werden darf. Das Landgericht Köln hat hierzu am 11. Mai 2010 (Urteil O 477/08) entschieden, dass für eine elektronische Dokumentation die gleichen Anforderungen gelten wie für die Dokumentation auf Papier.

Zu einer vollständigen Dokumentation gehören (nach Oehler 2004):

       Bestandteile einer vollständigen Dokumentation
  • Anamnese und der Anlass für die Konsultation,
  • Befunde,
  • diagnostische Maßnahmen und deren Ergebnisse bzw. Auswertung,
  • Aufklärung über die Befunde und daraus resultierend therapeutische Möglichkeiten,
  • Behandlungsplanung,
  • behandelter Zahn/Zahnbereich,
  • Leistungsziffern (BEMA, GOZ),
  • nächste Termine,
  • nicht wahrgenommene Termine,
  • Briefe ärztlichen Inhalts,
  • Anforderungen von Patientenunterlagen,
  • Rezepte (Medikament, Menge, Dosierung, besondere Verhaltensmaßregeln),
  • Überweisungen,
  • Fremdleistungen,
  • Kostenvorschüsse,
  • Zahlungsvereinbarungen,
  • Rückgabe von Edelmetall.


Einsichtsrecht des Patienten

Der Patient hat das Recht, vor Ort, also in der Zahnarztpraxis Einsicht in die über ihn geführte Dokumentation zu nehmen (Bundesgerichtshof, Urteil VI ZR 222/79). Soweit vertragliche Beziehungen zwischen Arzt und Patient bestehen, ergibt sich das Einsichtsrecht als vertragliches Nebenrecht. Anderenfalls folgt es aus § 810 BGB. Für die Einsicht in die Dokumentation muss kein besonderes Interesse vorliegen. Das Einsichtsrecht erstreckt sich nach der Rechtsprechung nicht auf den Teil der Dokumentation, der rein subjektive Eindrücke und Wahrnehmungen des Arztes enthält. Gegen Erstattung der Unkosten (für Papierkopien etwa 50 Cent/Seite + evtl. Portokosten) steht dem Patienten eine Fotokopie der ihn betreffenden Unterlagen zu.

„Die Überlassung einer ärztlichen Dokumentation in Form von Kopien stellt keinen weiteren Vertrag zwischen Arzt und Patient dar, sondern ergibt sich als Nebenpflicht aus dem allgemeinen Behandlungsvertrag. Das Begleitschreiben ist eine übliche Nebenleistung aus dem Behandlungsvertrag. Was bleibt, ist der Anspruch auf eine Aufwandsentschädigung. Verlangt der Patient Fotokopien seiner Krankenunterlagen, so beträgt die zulässige Aufwandsentschädigung 1,00 DM pro Kopie sowie 5,00 DM Porto für das Verschicken.“
AG Frankfurt, Urteil 30 C 1340/98-47

Auf Verlangen des Patienten ist der Zahnarzt verpflichtet zu versichern, dass die herausgegebenen Kopien der Unterlagen vollständig sind. Nach Auffassung des Landgerichtes Dortmund (Urteil 17 T 31/00) handelt es sich bei der Anforderung von Kopien seitens des Patienten um eine Holschuld, so dass kein Anspruch auf Zusendung der Behandlungsunterlagen besteht.

Ein Recht auf Herausgabe der Originalunterlagen besteht nicht. Gleichwohl kann das Recht auf Einsicht in die Originalunterlagen nicht durch Kopien abgewehrt werden. Verweigert der Arzt/Zahnarzt das Einsichtsrecht, dann kann das Recht auf Einsicht nach ZPO § 888 erzwungen werden. Zuvor sollte der Patient allerdings versuchen, über die zuständige Ärzte-/Zahnärztekammer oder über den Landesdatenschutzbeauftragten Druck auf den Arzt/Zahnarzt auszuüben. Fordert nicht der Patient selbst, sondern eine andere Person, beispielsweise ein Rechtsanwalt, die Patientendokumentation an, muss eine Schweigepflichtentbindungserklärung vorliegen.

Der Patient hat auch dann einen Anspruch auf Herausgabe der Kopien seiner Behandlungsunterlagen, wenn er Honorarforderungen nicht erfüllt hat. Nach der Rechtsprechung ergibt sich aus der Natur des Anspruches, dass ein Zurückbehaltungsrecht nicht in Betracht kommt. „Die Kenntnis des Inhalts der zahnärztlichen Unterlagen kann für den Patienten von großer Bedeutung sein, und zwar nicht nur für einen Schadensersatzprozess, sondern auch für die weitere Gestaltung der Behandlung“ (Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg 2010).

Literatur:
DGZMK: Die Pflicht zur Dokumentation. Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Stand 11/1994. (Volltext).
Heidemann, K.: Haftpflichtrecht für Zahnärzte. Spitta, Balingen 2006: S. 70-73.
Kassenzahnärztliche Vereinigung Baden-Württemberg: Zahnarzt und Haftung, Heft 1. Stuttgart 2005.
Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg: Praxishandbuch, Aufklärung u. Dokumentation, Stuttgart 2010: S. 17. (Volltext).
Oehler, K. : BEMA-Z und Wirtschaftlichkeitsprüfung. Deutscher Zahnärzte Verag, Köln 2004: S. 35.
Ries, H. P., Schnieder, K.-H., Althaus, J., Großbölting, R., Voß, M.: Zahnarztrecht. Springer, Berlin 2008: S. 177.
Schinnenburg, W.: Rechtsratgeber für die Zahnarzt-praxis. Deutscher Zahnärzte Verlag, Köln 2006.
Stiftung Warentest: Ihr gutes Recht als Patient. Stiftung Warentest, Berlin 2005: S. 24-28.