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Das Wundermittel beim Knochenaufbau?

Schon lange weiß man, dass im Blut Bestandteile enthalten sind, die das natürliche Wachstum von Knochen und Gewebe unterstützen. Eine Eigenschaft, die – neben der Parodontologie – vor allem in der Implantologie nützlich ist, da hier eine schnelle Knochenneubildung und eine Verkürzung der Einheilphase der künstlichen Zahnwurzel erwünscht ist. Um die im Blut enthaltenen Wachstumsfaktoren anzureichern, wird kurz vor oder während der Behandlung dem Patienten eine geringe Menge (ca. 10-80 ml) Eigenblut entnommen. Da der Wachstumsfaktor in den Thrombozyten (Bluttplättchen) enthalten ist, wird durch Zentrifugation des Blutes ein Thrombozytenkonzentrat gewonnen. Als Bezeichnung für dieses Thrombozyten-Konzentrat hat sich in der nationalen und internationalen zahnmedizinischen Literatur die medizinisch eigentlich inkorrekte Bezeichnung “Platelet Rich Plasma” (PRP) eingebürgert.

Aus 20 ml Eigenblut lassen sich etwa 0,8 ml PRP herstellen, die mit einem Knochenaufbaumaterial (z.B. Cerasorb®) vermischt werden. Wird Knochenersatzmaterial verwendet, muss dennoch 15 – 20% eigener (autologer) Knochen zugesetzt werden.

Nutzt PRP wirklich?

In implantologisch ausgerichteten Zahnarztpraxen wird immer wieder den Patienten die Verwendung von PRP empfohlen, da mit blutplättchenreichem Plasma mehr Sicherheit und schnellere Regeneration des Implantatlagers erreicht würde. So berichtet Dr. Hotz, Präsident des Deutschen Zentrums für orale Implantologie (DZOI): “Bereits drei Tage nach Einsetzen des Implantates ist die Operationsnarbe so gut geheilt, dass wir die Fäden ziehen können. Dieser Heilungsprozess dauert ohne den Einsatz von PRP etwa sieben bis zehn Tage.“ Der Ratsuchende erfährt außerdem, dass durch den Einsatz von PRP die Schmerzen so stark minimiert werden, “dass viele Patienten auch direkt nach der Operation kein schmerzstillendes Medikament benötigen.“ (http://www.dzoi.de/html/prp.html [01.10.2006]).

Soviel Euphorie für Platelet-Rich Plasma widersprechen Experten, die den Nutzen in Frage stellen (Klongnoi et al. 2006, Raghoebar et al. 2005, Schüttrumpf 2009). Die Deutsche Gesellschaft für Implantologie (DGI e.V.) stellt auf ihrer Internetseite fest: “Derzeit liegen keine randomisierten klinischen Studien vor, die einen Vorteil für die Verwendung von PRP in der Implantologie aufzeigen.“ (http://www.dgi-ev.de/index.phtml?scr=fach_empf4 [01.10.2006]). Einer Meinung, der sich auch Terheyden, Merten und Würzler anschließen, die in verschiedenen Studien weder eine Beschleunigung noch eine Verbesserung der Knochenbildung durch PRP feststellen konnten (Deutsches Ärzteblatt v. 22.11.2002).
Drastischer drückt es Seher (2004) aus: “Übertragen auf die in vivo Situation kann geschlossen werden, dass das ohnehin in der Wunde existierende Vollblut ausreichend für eine gute Heilung ist. Die Zugabe von PRP bringt keinen zusätzlichen Effekt. Aus dieser Sicht könnten die aufwendigen Verfahren für das Einbringen von PRP in die Wunde, sowie Zeit und Kosten der Patienten eingespart werden.“ Eine lukrative Einsparung, betragen doch die Kosten für eine PRP-Behandlung, die nicht von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen wird, etwa 200 – 300 Euro.

Rechtliche Probleme beim PRP-Einsatz

Die Anwendung von PRP in der Zahnarztpraxis wirft aber auch rechtlich einige Fragen auf. Ein Schwerpunkt der Problematik
liegt in den Bereichen Arzneimittelrecht und Transfusionswesen. Berechtigterweise wirft daher Dr. J. H. Koch in einem Artikel in der Fachzeitschrift  Dental Magazin 2/2002 die Frage auf, ob ein Zahnarzt überhaupt berechtigt ist, seinen Patienten Blut abzunehmen. Denn Knochenersatzmaterialien sind nach überwiegender Auffassung Arzneimittel. Daraus ergibt sich die Frage, ob man eine Herstellungserlaubnis braucht, um mit ihnen zu arbeiten bzw. sie herzustellen.

Weitere ungelöste Fragen treten bei der Gabe von Platelet-Rich Plasma auf, da PRP nicht nur Arzneimittel ist, sondern auch unter das Transfusionsgesetz fällt (Stellungnahme des Arbeitskreises Blut). Also müsste ein Zahnarzt bei einer uneingeschränkten Anwendung des Transfusionsgesetzes auch eine Qualifikation als Transfusionsverantwortlicher haben. Der PRP-herstellende Zahnarzt müsste außerdem über eine mindestens sechsmonatige transfusionsmedzinische Erfahrung verfügen. Zusätzlich würde die Zahnarztpraxis als Spendeeinrichtung und der Patient als Spender eingestuft werden. Alles Bedingungen, die kaum eine Zahnarztpraxis erfüllt.

Literatur:
Klongnoi, B, Rupprecht, S., Kessler, P, Zimmermann, R, Thorwarth, M., Pongsiri, S., Neukam, F. W., Wiltfang, J., Schlegel, K. A.: Lack of beneficial effects of platelet-rich plasma on sinus augmentation using a fluorohydroxyapatite or autogenous bone: an explorative study; J Clin Periodontol (2006) 33: 500-509.
Raghoebar, G. M., Schortinghuis, J., Liem, R. S. B., Ruben, J. L., van der Wal, J. E., Vissink, A.: Does platelet-rich plasma promote remodelling of autologous bone grafts used for augmentation of the maxillary sinus floor?; Clinical Oral Implants Research 2005; veröff. Online; doi:10.1111/j.1600-0501.2005.01115.x.
Schüttrumpf, J. P.: Einfluss von autologem Platelet-Rich-Plasma auf die Osteogenese nach Implantation eines Calciumphosphatbasierten Knochenersatzmaterials (Calcibon® Granules). Tierexperimentelle Untersuchungen am Bohrlochmodell des Schafes. Dissertation, Gießen 2009. (Volltext).
Seher, G. A.: In-vitro-Untersuchungen zur Zellstimulation durch Thrombozytenkonzentrate (PRP). Dissertation, Tübingen (2004). (Volltext).
Deutsches Ärzteblatt: Kongressbericht: Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie; Deutsches Ärzteblatt 99, Ausgabe 47 vom 22.11.2002.