Wie verbindlich sind Kostenvoranschläge?

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Kostenvoranschläge beim Zahnarzt sind nicht immer verbindlich.
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Im Patientenalltag ist es leider keine Seltenheit: Ein Patient stellt fest, dass seine Zahnarztrechnung, beispielsweise für eine Brücke im Oberkiefer, weitaus höher ausfällt als im Kostenvoranschlag vorgesehen war. Waren im Kostenvoranschlag noch Steigerungsfaktoren von 2,3 und 3,0 enthalten, berechnete die Praxis nun den 3,5 fachen Satz und in zwei Positionen sogar den 4,0 fachen Satz. Höchst ärgerlich für den Patienten. Denn gerade der Kostenvoranschlag sollte doch der finanziellen Planungssicherheit dienen.

Aber nicht nur beim Eigenanteil für Zahnersatz kann es für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu unangenehmen Überraschungen bezüglich der Endabrechnung kommen. Auch bei Therapien, die neben der Kassenleistung eine Zuzahlung erlauben, also beispielsweise aufwendigere Zahnfüllungen (Mehrkostenvereinbarung gemäß § 28 Abs. 2 SGB V), oder bei reinen Privatleistungen, beispielsweise Implantationen, können Differenzen zwischen Kostenvoranschlag und Rechnung entstehen. Denn in diesen Fällen sind die Leistungen privat nach der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) zu erbringen, die einen relativ großen Spielraum für die Honorare zulässt, da zahnärztliche Leistungen zwischen dem 1- und dem 3,5-fachen Gebührenrahmen berechnet werden können. Sogar Honorare mit einem Faktor über dem 3,5-fachen sind möglich, müssen aber mit dem Patienten vor Behandlungsbeginn das nach § 2  Abs. 1 und 2 GOZ schriftlich vereinbart werden. Leistungen, die über dem 2,3-fachen des Gebührensatzes berechnet werden, müssen in der Rechnung begründet werden (§ 10 Abs. 3 GOZ).

Kostenvoranschlag verbindlich?

Wie verbindlich ist also ein Heil- und Kostenplan (HKP)? Darf der mit dem Patienten schriftlich vereinbarte Betrag überschritten werden oder stellt er eine Obergrenze dar? Diese Frage lässt sich nur unter Beachtung der verschieden Blickwinkel beantworten. So stellen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) Heil- und Kostenpläne (Kostenvoranschläge) nur eine unverbindliche Berechnung der voraussichtlich entstehenden Kosten im Wege der Vertragsanbahnung dar. Eine Preisgarantie besteht also nicht. Im Gegenteil, die auf der späteren Rechnung angegebenen Kosten können durchaus höher sein, als der Betrag, der im Kostenvoranschlag kalkuliert war. Natürlich darf diese Kostensteigerung nicht in astronomische Höhen klettern (§ 650 BGB). Aus der laufenden Rechtsprechung kann man als Faustformel ableiten, dass Überschreitungen bis zu 20 Prozent der ursprünglich veranschlagten Kosten vom Patienten toleriert werden müssen. Bei größeren Abweichungen muss der Zahnarzt dem Patienten rechtzeitig mitteilen, dass die Rechnung den Kostenvoranschlag wesentlich übersteigt.

Allerdings hat das Landgericht Hannover (Urteil v. 29.10.1998, 119 S 9/98) entschieden, dass ein vom Zahnarzt erstellter Heil- und Kostenplan für eine Zahnersatzbehandlung verbindlich ist, sofern nicht im Verlauf der Behandlung unvorhergesehene und unvorhersehbare Schwierigkeiten auftreten. Demgegenüber können in dem Heil- und Kostenplan für eine zahnprothetische Behandlung die Material- und Laborkosten geschätzt werden. Diese Auffassung wurde später vom 12. Zivilsenat des brandenburgischen Oberlandesgerichts im Grundsatz bestätigt. Die Richter gehen in ihrem Urteil (Urteil vom 14.09.2006 – Az. 12 U 31/06) davon aus, dass der Zahnarzt vor Beginn der geplanten Behandlung und bei Aufstellung des Heil- und Kostenplanes regelmäßig in der Lage ist, die von ihm zu erbringenden Leistungen zu überblicken. Er ist daher verpflichtet, das zahnärztliche Honorar, das für seine Leistungen anfallen wird, so genau wie möglich im Vorhinein aufzuschlüsseln. Der Patient wird dadurch in die Lage versetzt, seine Entscheidung zu treffen, ob er die Behandlung von diesem Zahnarzt in der vorgesehenen Art und Weise durchführen lassen will. Müsste sich der Zahnarzt nicht an den von ihm erstellten Kostenvoranschlag halten, wäre dieser wertlos für den Patienten, eine finanzielle Planung nicht möglich.

Aber Vorsicht: Auch die brandenburgischen Richter erlauben eine Erhöhung des im Heil- und Kostenplan veranschlagten Zahnarzthonorars. Nämlich immer dann, wenn im Verlauf der Behandlung für den Zahnarzt – trotz vorheriger Diagnostik – nicht vorhersehbare Schwierigkeiten auftreten. Sind dem Zahnarzt hingegen bereits bei der Erstellung des Kostenvoranschlages Besonderheiten bekannt, die die Behandlung eventuell erschweren, dann sind diese Besonderheiten bereits im Kostenvoranschlag zu berücksichtigen bzw. der Patient darauf hinzuweisen, dass eventuell später ein höheres Honorar anfällt (OLG Köln, Urteil vom 23.10.1996, Az. 5 U 52/96, LG Krefeld, Urteil vom 17.07.1992, Az. 1 S 36/92).

Bei vielen Kostenvoranschlägen ist eine für den Patienten hinsichtlich der zu erwartenden Kosten wichtige Information oft erst am Ende des Kostenvoranschlages zu finden:

„Kosten für allgemeine und konservierend-chirurgische Leistungen nach der GOZ sind in den Beträgen nicht enthalten.“ (Heil- und Kostenplan Zahnersatz – Teil 2 für GKV-Versicherte bei gleich- oder andersartigen Versorgungen)

„Eventuell notwendige konservierende, chirurgische oder sonstige Leistungen werden nach individuellem Aufwand zusätzlich in Rechnung gestellt“. (Kostenvoranschlag für Privatbehandlung)

Honorare für diese Behandlungen sind daher nicht im Kostenvoranschlag enthalten! Immer wenn sich diese oder eine ähnliche Formulierung auf dem Kostenvoranschlag befindet, sollte der Patient beim Zahnarzt nachfragen, welche zusätzlichen Leistungen denn anfallen und gegebenenfalls einen weiteren Kostenvoranschlag einfordern.

Trennung zwischen Zahnarzthonorar und Material-/Laborkosten

Übersteigt die Rechnung die im Heil- und Kostenplan veranschlagten Kosten und enthält die Rechnung nicht nur zahnärztliche Honorare, sondern auch Material- und Laborkosten, so muss zunächst eine Trennung der Kosten in das Zahnarzthonorar und in Material- und Laborkosten vorgenommen werden. Sind lediglich die Material- und Laborkosten höher als der im Kostenvoranschlag geschätzte Betrag, so wird dies der Patient tolerieren müssen, sofern im Heil- und Kostenplan lediglich ein Schätzbetrag genannt wurde. Anders sieht es aus, wenn das Zahntechniklabor selbst einen Kostenvoranschlag abgegeben hat, es sich dementsprechend nicht um eine Schätzung handelt.

Das OLG Köln unterscheidet hierbei allerdings, ob der Zahnersatz in einem Fremdlabor oder aber in einem zur Praxis gehörenden Labor gefertigt wird. In ihrem Urteil vom 16.06.1997 kürzten die Richter die Rechnung für die zahntechnischen Leistungen um 30 Prozent auf die im Heil- und Kostenplan angegebene Höhe, obwohl der HKP den Hinweis enthielt, dass Laborkosten nur geschätzt werden können. Dieser Hinweis wurde vom Gericht nicht akzeptiert, da es nicht ersichtlich sei, weshalb ein Zahnarzt, insbesondere ein solcher der über ein eigenes Labor verfügt, nicht in der Lage sein sollte, die zu erwartenden Laborkosten einigermaßen exakt im vorhinein zu bestimmen (OLG Köln, Urteil vom 16.06.1997, Az. 5 U 35/97).

Bei Unstimmigkeit das Gespräch suchen

In Bezug auf das Zahnarzthonorar ist der Kostenvoranschlag zunächst als verbindlich zu betrachten (s. o.). Kommt es hier zu größeren Abweichungen zwischen Kostenvoranschlag und Endabrechnung, so empfiehlt es sich, zunächst das Gespräch mit dem Zahnarzt zu suchen. Vielleicht liegt ja ein Abrechnungsfehler vor, und die Rechnung muss korrigiert werden. Die höheren Gebühren können aber auch berechtigt sein. Dies ist dann der Fall, wenn der Zahnarzt die Honorarabweichung für den Patienten nachvollziehbar begründen kann, beispielsweise weil eine unvorhersehbare Komplikation eine Ausweitung der Behandlung erforderte, oder weil vorhersehbare Schwierigkeiten eintraten, auf die der Patient allerdings bereits vor Behandlungsbeginn hingewiesen wurde. Vor Behandlungsbeginn bereits bekannte Gründe wie beispielsweise „außergewöhnlich hoher Speichelfluss“ oder „stark eingeschränkte Mundöffnung“  müssen bereits im Kostenvoranschlag berücksichtigt werden und berechtigen in der Regel nicht zur nachträglichen Erhöhung der Gebühren. Sollte eine nachträgliche Erhöhung erfolgen, so ist dies nur bis zum 3,5-fachen Gebührensatz möglich, da für höhere Sätze vor Erbringung der Leistung eine schriftliche Einverständniserklärung des Patienten gefordert ist (§ 2 Abs. 2 GOZ).

Ist eine Klärung der vermeintlichen Unstimmigkeiten nicht möglich, kann sich der Patient an die zuständige Zahnärztekammer wenden oder sich in einer Patientenberatungsstelle informieren. Da dies aber weitere Zeit beansprucht und oft die Rechnung innerhalb dieser Zeit fällig wird, sollte ein Zahlungsaufschub bei der Praxis erwirkt werden. Allerdings muss die Praxis einen Aufschub nicht gewähren und kann weiterhin auf Bezahlung der kompletten Rechnung bestehen (§ 614 BGB) – vorausgesetzt, die Rechnung wurde entsprechend den Vorgaben der GOZ erstellt (§ 10 GOZ).

Fazit: Letzte Sicherheit über Kosten ist kaum möglich

Die Ausführungen zeigen deutlich: Letzte Sicherheit hinsichtlich der zu erwartenden Kosten bringt ein Kostenvoranschlag dem Patienten nicht. Denn die Höhe der späteren Rechnung hängt von vielen Faktoren ab, die nicht immer alle im Heil- und Kostenplan auftauchen. Bei Zahnersatz können vor allem die Material- und Laborkosten unterschiedlich hoch ausfallen. So führt schon ein Mehrverbrauch von Edelmetall schnell zu einem weitaus höheren Rechnungsbetrag. Und unvorhergesehene Schwierigkeiten während der Behandlung können schnell zu einer Erhöhung des Steigerungsfaktors bei Privatbehandlungen führen. Schließlich reicht die Spanne vom einfachen bis zum 3,5-fachen Satz der Gebührenordnung . Mit vorheriger schriftlicher Vereinbarung mit dem Patienten sind sogar höhere Steigerungen möglich. In jedem Fall ist ein Patient gut beraten, wenn er bei Behandlungen, die eine finanzielle Eigenbeteiligung erfordern, einen Kostenvoranschlag verlangt, für den der Zahnarzt bei reinen Privatbehandlungen ein Honorar entsprechend der Gebührenordnung für Zahnärzte verlangen darf.

Tipps

         Vor der Behandlung
  • Detaillierten Heil- und Kostenplan (Kostenvoranschlag) ausstellen lassen.
  • Kostenvoranschlag ausführlich erklären lassen.
  • Bestätigen lassen, dass alle benötigten und absehbaren Positionen (z. B. Vorbehandlungen bei Zahnersatz, Begleitleistungen bei prothetischen Arbeiten) im Kostenvoranschlag enthalten sind.
  • Falls Steigerungsfaktor im Voranschlag nicht ersichtlich ist, nach Steigerungsfaktor fragen.
  • Nachfragen, ob zu erwartende Schwierigkeiten bereits im Steigerungsfaktor berücksichtigt wurden. Vorsicht bei einer durchgängigen Planung mit dem Faktor 2,3, da dies in der Realität selten eintrifft.
  • Zumindest bei größeren Zahnersatzbehandlungen eigenen Kostenvoranschlag des Zahntechniklabors anfordern.
  • Kostenvoranschlag bei Krankenversicherung zur Prüfung vorlegen.
  • Gegebenenfalls zweiten Kostenvoranschlag einholen.
  • Behandlung erst nach Klärung der Kostenfrage beginnen.
          Nach der Behandlung
  • Überprüfung der Endabrechnung hinsichtlich der Übereinstimmung mit dem Heil- und Kostenplan (GOZ-Positionen, Steigerungsfaktor).
  • Bei Unstimmigkeiten mit Praxis sprechen. Gegebenenfalls Rechnung zur Überprüfung einer Patientenberatungsstelle oder der zuständigen Zahnärztekammer vorlegen.

Literatur
Pallandt, Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), Verlag C.H. Beck  2008
Liebold/Raff/Wissing, DER Kommentar BEMA + GOZ, Asgard-Verlag  2009
Ries/Schnieder/Althaus, Zahnarztrecht, Springer-Verlag 2008
Oehler, Zahnmedizinischer Standard in der Rechtsprechung, Deutscher Zahnärzte Verlag 2003
Oehler, Der zahnärztliche Sachverständige, Deutscher Zahnärzte Verlag 2004
Bayerischen Landeszahnärztekammer, GOZ-Fibel, BLZK  2005. (Volltext).
Abrechnung aktuell, Ausgabe 03/2008
FVDZ, Praxishandbuch, 11/2009