Fissurenversiegelung

Wenn Sie sich die Kauflächen Ihrer Backen- und Mahlzähne einmal im Spiegel genau anschauen, so stellen Sie fest, dass diese Flächen nicht glatt sind. Sie bestehen vielmehr aus einem System feinster Rillen und Furchen (= Fissuren). In diesen Nischen finden Speisereste und kariesauslösende  Bakterien guten Schutz, da sie oft auch durch Zähneputzen nicht entfernt werden können, denn die Borsten der Zahnbürste sind zu dick, um an den Boden der Fissuren zu gelangen. Daher ist Fissurenkaries die häufigste Kariesform nach dem Durchbruch der Zähne. Durch ein Verschließen der Fissuren mit einem speziellen Kunststoff – der Zahnarzt spricht von der “Fissurenversiegelung” – kann die Kariesanfälligkeit der Kauflächen um 70 bis 90 Prozent verringert werden.

Den Nutzen der Fissurenversiegelung konnten Wissenschaftler der Cochrane Collaboration nach einer systematischen Auswertung der verfügbaren Studien bestätigen. Nach vier bis fünf Jahren wiesen die versiegelten Zähne nur halb soviel Karies auf wie die nicht versiegelten Zähne (Ahovuo-Saloranta et al. 2007). Vor einer Versiegelung muss der Zahnarzt allerdings zunächst entscheiden, ob eine Versiegelung überhaupt notwendig oder sinnvoll ist. So muss beispielsweise eine flache Fissur nicht versiegelt werden, da hier eine Reinigung leicht möglich ist. Wenn bereits eine kleine Karies im Bereich der Kaufläche vorhanden ist, kann eine sogenannte “erweiterte Fissurenversiegelung” vorgenommen werden. Hierbei wird zunächst die Karies minimal invasiv entfernt und anschließend der Defekt in die Versiegelung mit einbezogen.

Indikation Kontraindikation
  • stark ausgeprägte Rillen und Furchen (=Fissuren) auf den Kauflächen
    der Backen- u. Mahlzähne (Prämolaren und Molaren)
  • wenig ausgeprägte Rillen und Furchen ( = Fissuren) auf den Kauflächen
    der Backen- u. Mahlzähne (Prämolaren und Molaren)
  • Allergie gegen Versiegler

Der Zahn hat auf der Kaufläche eine tiefe Einziehung, die nicht gründlich gereinigt werden kann. Zum Schutz vor Karies wird die Einziehung mit Kunststoff verschlossen. Foto: ProDente.

Wie funktioniert die Versiegelung?

Nach einer sorgfältigen Reinigung der Zahnoberfläche schützt der Zahnarzt zunächst den Zahn durch eine Trockenlegung vor Speichel. Anschließend wird die Fissur und ihre unmittelbare Umgebung mit einer schwachen Säure vorbehandelt. “Anätzen” nennt der Zahnarzt diesen Vorgang. Hierdurch entsteht eine leicht raue Oberfläche, an der das Versiegelungsmaterial besser haftet. Nach sorgfältigem Absprühen mit Wasser und anschließendem Trocknen ist der Zahnschmelz für die Versiegelung vorbereitet. Nun wird das Versiegelungsmittel, eine dünnflüssige Kunststoffmasse, mit einer biegsamen Spritze direkt in die Fissuren gefüllt und durch Lichteinwirkung (UV-Licht) gehärtet (Kühnisch et al. 2003). Der ausgehärtete Versiegler deckt die Fissuren vollständig ab. Die Kauflächen Ihrer Zähne sind nun für mehrere Jahre vor Karies geschützt. Wichtig ist, das Sie die Vollständigkeit Ihrer Versiegelung regelmäßig durch den Zahnarzt kontrollieren lassen (Splieth et al. 1998). Vor allem innerhalb des ersten halben Jahres kann es zum teilweisen oder sogar vollständigen Verlust der Versiegelung kommen (Kühnisch u. Hickel 2007). Da nicht auszuschließen ist, dass nicht alle angeätzten Zahnflächen bis zum Rand mit Versiegler abgedeckt wurden, wird meist unmittelbar nach der Versiegelung eine Fluoridlack auf den Zahn aufgebracht, der den Wiedereinbau von Mineralien in den angeätzten Zahnschmelz fördert.

Backenzahn mit tiefen Fissuren, die noch nicht kariös sind und vorbeugend versiegelt werden sollten. Für ein optimales Ergebnis ist eine absolute Trockenlegung mit Hilfe von Kofferdam wichtig.

Das Gebiet um die Fissur wird mit Phosphorsäure angeätzt, um einen Halt des Versieglers aus Kunststoff zu gewährleisten.

Anschließend wird ein
spezieller Haftvermittler
aufgetragen.

Die weißliche und somit leicht auf Beschädigungen zu kontrollierende Fissurenversiegelung schützt die Kaufläche vor Karies. Fotos: dentimages.

Wann sollte die Versiegelung stattfinden?

Wann bei einem Kind mit der Versiegelung begonnen werden sollte, kann der Zahnarzt am besten bei einer Untersuchung im 5. – 6. Lebensjahr beurteilen. In der Regel erfolgt die Versiegelung nach dem Durchbruch der ersten bleibenden Backenzähne. Der Zahndurchbruch sollte dabei so weit fortgeschritten sein, dass kein Zahnfleisch mehr die Kaufläche bedeckt. Die weiteren Versiegelungen werden dann jeweils beim Durchbruch neuer bleibender Backenzähne vorgenommen.

Die Fissurenversiegelung ist eine einfache, schmerzlose und wirksame Maßnahme, die Sie und Ihre Kinder vor Fissurenkaries schützt. Der Zahnarzt oder die Zahnärztin muss im Einzelfall entscheiden, ob eine Versiegelung der Fissuren angezeigt ist.

Mögliche Nebenwirkungen

Nebenwirkungen zur Fissurenversiegelung sind sehr selten. Über allergische Reaktionen wurden bisher lediglich in zwei Fällen berichtet. Eine extrem geringe Zahl, bedenkt man die hohen Anzahl an Versiegelungen. In letzter Zeit wurde von einzelnen Institutionen vor Kunststoffen für Versiegelungen und Füllungen gewarnt, da sie unter anderem Monomere und Formaldehyd freisetzen würden. Diese Mengen sind jedoch so gering, daß das Risiko unerwünschter Wirkungen nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand als äußerst niedrig einzustufen ist. Gleiches gilt für die Diskussion um eine östrogene Wirkung durch Bisphenol A (Information der DGZMK).

Leitlinie “Fissurenversiegelung”

Auf Beschluss der Zahnärztlichen Zentralstelle Qualitätssicherung im Institut der Deutschen Zahnärzte (ZZQ) wurde von einer Autorengruppe der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) eine “Leitlinie Fissurenversiegelung” erarbeitet, die in mehreren Sitzungen im sogenannten “Konsensusverfahren” mit anderen Institutionen abgestimmt wurde. Zur Erstellung der Leitlinien wurden klinische Studien herangezogen sowie eine Handrecherche deutscher Literatur durchgeführt. Als Ergebnis dieser Studien erstellte die Autorengruppe Statements zur Leitlinie Fissurenversiegelung.

Die Statements lauten:

Statement 1:
Bei der Fissuren- und Grübchenversiegelung handelt es sich um eine wirksame, zahnflächenspezifische Präventionsmaßnahme bei bleibenden Zähnen, die ihren größten Nutzen im Kindes- und Jugendalter aufweist. Ziel ist die Umgestaltung eines plaqueretentiven Fissurenreliefs in eine prophylaxefähige Zahnfläche.
Grad der Empfehlung A

Statement 2:
Die Indikation zur Fissuren- und Grübchenversiegelung sollte nach einer kariesdiagnostischen Untersuchung gestellt werden. Für gesunde, plaqueretentive, kariesgefährdete bzw. von nicht kavitierten kariösen Läsionen betroffene Fissuren und Grübchen ist die Indikation zur Fissuren- und Grübchenversiegelung gegeben.
Grad der Empfehlung: B

Okklusale Dentinläsionen sollen exkaviert und im Sinne der minimal invasiven Füllungstherapie restauriert werden.
Grad der Empfehlung: A

Statement 3:
Bei Patienten mit einem hohen Kariesrisiko soll der frühzeitigen Versiegelung Priorität eingeräumt werden.
Grad der Empfehlung: A

Statement 4:
Kontraindikationen zur Fissuren- und Grübchenversiegelung sind ausgedehnte okklusale Dentinläsionen und Milchmolaren, deren physiologischer Zahnwechsel unmittelbar bevorsteht.
Grad der Empfehlung: A

Statement 5:
Für den klinischen Einsatz werden niedrigvisköse methacrylatbasierte Versiegelungsmaterialien, wie z. B. Auto- und (fluoridfreisetzende) Licht-Polymerisate empfohlen, da sie eine hohe Effektstärke und gegenüber Glas-Ionomer-Zement ein längeres Überleben aufweisen. Da (fluoridfreisetzende) Lichtdiesen im klinischen Alltag der Vorzug eingeräumt werden. Glas-Ionomer-Zemente und Kompomere sind aufgrund hoher Retentionsverluste zur Versiegelung wenig geeignet.
Grad der Empfehlung: A

Statement 6:
Vergleichende klinische Untersuchungen zwischen absoluter Trockenlegung mit Kofferdam und relativer mit Watterollen zeigten tendenziell günstigere Retentionsraten für unter Kofferdam applizierte Versiegelungen. Die Mehrzahl aller Vergleichsuntersuchungen konnte aber keine signifikanten Unterschiede nachweisen. Daher wird die relative Trockenlegung als ausreichend angesehen. Bei Behandlung unter relativer Trockenlegung sollte vierhändig gearbeitet werden.
Grad der Empfehlung B

Statement 7:
Als erster klinischer Arbeitsschritt bei der Fissuren- und Grübchenversiegelung wird die Fissurenreinigung mit einem rotierenden Bürstchen oder Pulverstrahlgerät empfohlen. Anschließend soll eine Konditionierung der unpräparierten Schmelzoberfläche mit etwa 35%ger Phosphorsäure für etwa 60 Sekunden am bleibenden Zahn (am Milchzahn für etwa 120 Sekunden) erfolgen. Nach gründlichem Absprayen des Ätzmittels für mindestens 10 Sekunden und forcierter Trocknung soll eine kreidig weiße Schmelzoberfläche sichtbar sein.
Grad der Empfehlung: A

Statement 8:
Die Applikation des Versiegelungsmaterials soll anschließend grazil im Fissurenrelief erfolgen. Materialüberschüsse, die zu okklusalen Vorkontakten und einem partiellen oder vollständigen Retentionsverlust führen können, sind zu vermeiden. Zur Lichtpolymerisation sollen Polymerisationslampen mit ausreichender Intensität genutzt werden. Die Polymerisationszeit ist abhängig von der Lichtintensität und dem Versiegelungsmaterial und soll 20 bis 40 Sekunden betragen. Nach der Versiegelerapplikation ist eine Okklusionskontrolle erforderlich; interferierende Überschüsse müssen korrigiert werden.
Grad der Empfehlung A

Statement 9:
Zur Entfernung der oberflächlichen Sauerstoffinhibitionsschicht sollte eine Politur der Fissuren- und Grübchenversiegelung erfolgen. Zur Remineralisation geätzter, aber nicht versiegelter Schmelzareale wird die Lokalapplikation eines Fluoridpräparates empfohlen.
Grad der Empfehlung A

Statement 10:
Eine erste Nachkontrolle der Fissuren und Grübchenversiegelung sollte innerhalb von 6 Monaten erfolgen. Alle weiteren Kontrollen sollten sich an den in Abhängigkeit vom Kariesrisiko festgelegten Recall-Intervallen orientieren.
Grad der Empfehlung B

Statement 11:

Im Fall eines Retentionsverlustes ist die Nachversiegelung indiziert.

Grad der Empfehlung A

Beteiligung durch gesetzl. Krankenkasse

  • Ja, für Kinder und Jugendliche im Alter von 6. bis zum 17. Lebensjahr wird im Rahmen der Individualprophylaxe die Versiegelung der bleibenden Backenzähne (6er und 7er) durch die Krankenkasse bezahlt.
  • Versiegelungen an Milchbackenzähnen, kleinen bleibenden Backenzähnen (Prämolaren) oder an Front- und Eckzähnen ist keine Leistung der gesetzlichen Krankenkasse. Eine Versiegelung dieser Zähne kostet pro Zahn ca. 40,- Euro incl. Nebenkosten.

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